Mittwoch, 8. August 2012

Abschluss

Seit ungefähr 1,5 Monaten bin ich wieder in Deutschland und so mancher wird wohl denken "Na, da hat sie sich bestimmt wieder eingelebt." Pfeiferles, gar nix hab ich.
Körperlich bin ich anwesend, geistig zumindest manchmal, oft aber auch noch nicht.

Manchmal denke ich nach und denke immernoch auf Portugiesisch und möchte dann auch Sätze auf Portugiesisch beginnen, kann mich aber gerade noch am Riemen reißen.

Hier in Deutschland sind mir jetzt vor allem auch extreme Unterschiede zwischen den beiden Ländern aufgefallen, die für mich nach einer Zeit in Brasilien einfach normal waren:

- Wenn man ins Haus will, muss man hier klingeln. Würde ich mich vor ein Haus stellen und wie gewohnt klatschen und rufen, würde ich wahrscheinlich in die Anstalt eingeliefert werden. Dass es überhaupt richtige Haustüren gibt, ist für mich eh auch komisch, da in Nioaque die meisten so stinknormale Türen als Haustüren haben und die auch meistens nicht abgeschlossen sind.

- Im Haus haben wir TürKLINKEN und nicht so runde Dinger zum Drehen.

- Als ich nach Brasilien kam, hatte ich nie Probleme damit, das Toilettenpapier in den Mülleimer zu schmeißen, hab das auch nur eimal aus Versehen vergessen. Schwieriger ist es mir gefallen, mich hier in Deutschland wieder daran zu gewöhnen, es in die Toilette zu werfen.

- Die Toiletten sind hier sowieso Luxus, eine Toilette aus Stein und so "edel"... Wahnsinn :D

- Ich finde es unglaublich toll, dass ich bei unserer Dusche die Wärme exakt einstellen kann und nicht nur zwischen "eiskalt", "lauwarm" und "heiß" wählen kann. Außerdem haben wir einen Wasserdruck, der ist fantastisch!

- Ich habe unbegrenzten Zugang zu Wasser mit Kohlensäure, das ist unglaublich toll! :D

- Das Geschirr kann ich endlich wieder mit heißem Wasser spülen und werde auch nicht blöd angeschaut, wenn ich das Becken erst voll laufen lasse und dann alles zusammen spüle anstatt jeden Teller einzeln unter fließendem (KALTEN) Wasser abzuspülen.

- Ich habe in Brasilien zwar Papageie, Araras und viele andere Vögel gesehen, das Vogelgezwitscher hab ich allerdings so gut wie nie zu hören bekommen (alternativ daz uhab ich die Hühner halt gehört)

- Hier riecht es sowohl drinnen als auch draußen komplett anders als in Brasilien. Das ist nicht zu beschreiben und nach diesen 1,5 Monaten kann ich mich auch kaum mehr an den Geruch Brasiliens erinnern - schade eigentlich!

- Die Wäsche riecht auch ganz anders, und das meine ich nicht nur vom Waschmittel her.

- Das erste, was man tut, wenn man nach Hause kommt und das Haus betritt, ist NICHT, den TV anzuschalten! Entspannend :)

- Wir haben SCHEIBEN in den Fenstern! Das ist total krass! Die Fenster sowie das Haus sind isoliert, es gibt Fliegengitter und Rolos. Ich weiß noch, dass ich einen total verständnislosen Blick geerntet habe, als ich in Brasilien nachmittags (in der brühenden Hitze) das Fenster nicht aufmachen wollte, weil ich das von Deutschland so gewohnt war. Im Sommer macht man hier nachts die Fenster auf und lässt dann tagsüber die Rollläden runter und die Fenster zu, damit es einigermaßen kühl bleibt. Als ich das erklären wollte, kam nur "Aber dann kommt wenigstens ein Windchen rein." Dass der dann affenheiß ist, war Nebensache ;)

- Ich komme hier ständig unabsichtlich zu spät. Ob zum Training oder zu Verabredungen, immer denke ich "Ach, ich brauch noch nicht losfahren, schaffste schon." Tja, nix wars.

- Hier ist alles so sauber. Selbst wenn es im Haus für deutsche Verhältnisse dreckig und chaotisch ist, ist es im Vergleich trotzdem noch ziemlich "rein".

- Man findet quasi nirgends "Erdstraßen", alles ist asphaltiert.

- Wenn man durch die Stadt läuft, gibt es unzählige Mülleimer. Wenn man in Brasilien Müll hat, schmeißt man ihn entweder irgendwohin, oder, wenn man ein schlechtes Gewissen hat (so wie ich), trägt man ihn ewig mit sich, bis man dann IRGENDwo in einem Tante Emma-Laden ein Eimerchen findet.

- Ich kann Handball wieder auf dem "normalen Hallenboden" spielen, brauche nicht mehr auf Stein zu spielen!!!! JUHU! Als mein brasilianischer Handballtrainer ein Bild unserer Sporthalle gesehen hat (und die ist nun wirklich SEHR renovierungsbedürftig), ist er ausgeflippt vor Begeisterung.

- Der für mich ALLER ALLER ALLERgrößte Unterschied ist, dass es hier so EXTREM spät dunkel wird! Im brasilianischen Winter ist es um 17.00 dunkel, im Sommer so um 19.00.
Ich kam hier an und ich hab erstmal NULL Zeitgefühl gehabt: Es war irgendwie 21.00 und ich war der Meinung, es sei 18.00, weil es einfach noch taghell war. Oder ich war für 19.00 verabredet und bin dann um 19.30 losgefahren, weil ich die ganze Zeit der Meinung war, es könne noch nicht nach 18.00 sein, weil es so hell war (bis ich auf die Uhr geschaut habe ;D)


Trotz dieser vielen Unterschiede, die mir schon krass klar geworden sind, gibt es auch ein paar Sachen, die immernoch exakt gleich sind:

- An unserem PC kommen immernoch die allerselben Fehlermeldungen wie vor einem Jahr :D

- Wenn ich in irgendeinem Zimmer bin und die Türen offen sind, kann ich das immernoch nicht leiden, genauso wie vor einem Jahr (vor allem die Flurtür! :D)

- Wenn abends die Lichter an sind und die Rollläden oben, mache ich sie automatisch runter, weil ich mich sonst beobachtet fühle.

- Die Handbewegung, die ich beim Krümelwegwischen bei der Brotschneidemaschine mache, sind dieselben.

Ihr mögt euch denken "Na und? Ist doch normal!", aber ich habe jetzt ein Jahr ohne diese Dinge gelebt und ich mache sie sofort immernoch genauso - der Mensch ist eben doch ein Gewohnheitstier ;)

Auch wenn ich z.B. beim Training bin oder mit manchen Leuten unterwegs, stelle ich fest, dass sie immernoch die gleichen Leute sind wie vor einem Jahr. Natürlich haben sie sich charakterlich verändert. Aber wahrscheinlich habe  ich unterbewusst erwartet, dass jetzt auf einmal alle anders aussehen oder so was, das ist natürlich Quatsch ;D

Wenn ich jetzt mit Leuten zusammen war, die jetzt in ihr Austauschjahr gestartet sind, fühle ich mich genauso wie vor meinem Brasilienjahr. Ich hatte damals Vorstellungen von dem Land, von den Leuten und ich hatte immer ein ganz bestimmtes Gefühl im Bauch. Genau diese Vorstellungen habe ich heute wieder mit demselben Gefühl, obwohl ich weiß, dass meine Vorstellungen zu ungefähr 2% richtig waren :D

Achja, was ich noch absolut cool fand, war, dass das erste Lied, dass ich hier im Radio gehört habe, gleich mal ein Brasilianisches war :D Außerdem habe ich so auf mein Duschgel geschaut (welches ich noch vor meinem Austauschjahr gekauft habe) und der Geruch war gleich mal "Acaibeere", eine Beere aus Brasilien!

Hiermit schließe ich meinen Brasilienblog ab und möchte allen danken, die ihn immer fleißig gelesen haben, die Bilder angeschaut haben, kommentiert haben und sich bei mir gemeldet haben.
Vielen Dank an AFS für diese einmalige Möglichkeit!

Ich plane schon, bald wieder nach Brasilien zu fliegen, um meine Freunde und Familie wiedersehen zu können, da ich sie schon sehr extrem vermisse.

Ganz liebe Grüße,

Eure Brasilien-Anne